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Neun Minuten des Grauens


4. Oktober 2015 – 10. Spieltag:

Rote Karte, Elfmeter und drei Gegentore nach 16 Minuten. Was desaströs begann und nach Debakel aussah, endete nur mit einer knappen 2:3 Niederlage. Jedoch rutscht der Club tabellarisch runter ins graue Mittelmaß bis auf Platz 10. Trotz klasse Moral geht es mit verkatertem Gefühl in die Länderspielpause.

Ja, ich gebe es zu: Die 0:5-Heimklatsche der Westvorstadt hat mir am Samstagnachmittag ein Lächeln ins Gesicht gezaubert. Das Spitzenspiel zum Kärwaauftakt so klar zu verlieren, dürfte jenseits der Stadtgrenze die Lust auf Kärwa gründlich vermiest haben. Aber meine Schadenfreude sollte wie ein Bumerang zu mir zurückkommen – wofür sonst gibt es schließlich den Club!

Der trat am Sonntagmittag zum Verfolgerduell bei den ungeliebten Dosen aus Leipzig an – dem Sieger frohlockte zur Belohnung der vierte Platz. Mit knapp 3.000 Fans im Schlepptau ließen sie die Gästekurve in Rot und Schwarz erstrahlen. „Ich bereue diese Liebe nicht!“ war diesmal das Motto der Auswärtsfahrer – noch bekannt aus der Abstiegssaison vor zwei Jahren. Wobei diese Liebesbekundung bereits nach der 16. Minute erneut auf eine harte Probe gestellt wurde und eher wie blanker Hohn erschien.

Einfach überrollt

In der siebten Minute bröckelte meine Zuversicht, etwas Zählbares aus Leipzig mitzunehmen:

Selke im Laufduell mit Margreitter. Der Leipziger Stürmer ist schneller und ein gegenseitiges Halten und Zerren vor dem Sechzehner endete im Strafraum mit einem finalen Hinfaller. Elfmeter und sogar glatt Rot für Margreitter, weil er als letzter Mann eine klare Torchance verhindert hat. Die rote Karte war eine viel zu harte Entscheidung. Wenigstens sah es heute der DFB ähnlich und hat ihn nur für ein Spiel gesperrt. Doch gestern schlich Margreitter bedröppelt vom Platz und Leipzig vollendete vom Punkt unten rechts zur Führung.

Der Club danach in Schockstarre und unsortiert, was Leipzig gleich zu einer guten Kombination im Sechzehner nutzte. Der Flachpass von rechts in den Fünfer wurde nach elf Minuten über die Linie gedrückt. 0:2.

Und weil es eh schon so grausam ist, gackerte der FCN-Abwehrhühnerhaufen weiterhin wirr übers Feld. Sepsi mit schlechter Kopfballabwehr direkt vor die Füße des Leipzigers Selke. Der fackelt nicht lange und zimmert die Kugel aus gut 20 Metern über den linken Innenpfosten ins Tor. Innerhalb von neun grausamen Minuten lag der FCN 0:3 hinten – und dazu noch mit einem Mann weniger!

Das Breisgau-Dé­jà-vu

Die Schadenfreude des Vortages war jäh aus meinem Gesicht gewichen. Die Mundwinkel hingen inzwischen steil bergab und ich konnte vor lauter Fassungslosigkeit nicht mal schimpfen. Ich befürchtete das Schlimmste, denn Leipzig spielte sich in einen Rausch und lieferte wohl so ziemlich die beste erste Halbzeit der jungen wie traditionslos kurzen Vereinsgeschichte.

Ich kramte in meinem 30-Jahre-FCN-Langzeitgedächntis, ob der Club schon jemals nach einer Viertelstunde so klar zurückgelegen hatte? Ich konnte mich nicht erinnern, bis sich mein Kurzzeitgedächtnis meldete: „Hallo, denk doch mal an Ende Juli 2015!“ Stimmt – der Saisonauftakt in Freiburg mit dem 3:6-Debakel. Danke für die Erinnerung, da kann ich gerne drauf verzichten! Auf jeden Fall graute mir davor, dass der Club wieder ähnlich unter die Räder kommen sollte. Ich flehte um den Abpfiff.

Moral und Charakter stimmen

Wenigstens stabilisierte sich die Mannschaft und fand zumindest zu einer gewissen Grundordnung, so dass der wiedergenesene Schäfer bis zur Halbzeit nicht nochmal die Pille aus dem Netz klauben musste.

Sein erstes Saisonspiel hatte sich Schäfer definitiv anders vorgestellt: „Nach den ersten Minuten dachte ich, ich wäre im falschen Film. Aber wir haben uns dann stabilisiert und uns mit Kampf ins Spiel eingebracht. Schade, dass wir dafür nicht belohnt wurden, vor allem weil wir so lange in Unterzahl gespielt haben.“

Auch wenn der Club seine Abwehrreihen schließen konnte, ging nach vorne doch sehr, sehr wenig zusammen. Aber das Team zeigte wenigstens Moral und stemmte sich vehement gegen das Schlachtfest zum Leipziger Allerlei.

Dann fielen wie aus dem Nichts plötzlich zwei Tore für den Altmeister nach dem gleichen Schema: Freistoß Möhwald aus dem linken Halbfeld. Kopfball Bullthuis. Kopfball Füllkrug. 1:2 und 2:3! Was geht denn hier ab? Plötzlich war der FCN wieder dick im Geschäft und drängte sogar auf den Ausgleich. Die bis dato so souveränen Leipziger taumelten und wankten gegen zehn Glubberer.

Akku im Abseits

Der Club glaubte nun seine Chance und hatte in der Schlussviertelstunde sogar Großchancen zum Ausgleich: Füllkrug schießt knapp daneben und Behrens lupft knapp vorbei.

Kurz vor Spielende geschieht das Unfassbare! Mein Handy-Akku geht von 10% Restkapazität direkt in den Nirvanamodus über und stoppt die Übertragung. AHHH! Fluchend krame ich das Ladekabel raus, aber bis das Handy und die Sport 1 FM App wieder hochgefahren sind, ist die Partie vorbei. So verpasse ich Lückes Abseitstor in der Nachspielzeit. Zum Glück! Denn es wurde richtigerweise nicht gegeben, aber ich hätte mich erstmal wahnsinnig über den vermeintlichen Ausgleich gefreut. So ging dieser Herzinfarkt wenigstens an mir vorüber. Tja, wenn nur alle anderen Abseitstore auch so konsequent aberkannt worden wären, dann hätte der Club das Derby …

Genie und Wahnsinn

So verlor der Ruhmreiche auch dieses turbulente Spiel mit 2:3. Von der Verteilung der Chancen her verdient, auch wenn am Ende unglücklich. Wenigstens keine Klatsche und das Torverhältnis nicht weiter versaut. Es war wieder einmal ein Spektakel mit wieder einmal einer schlechten Abwehr. Das kann doch nicht wahr sein, dass zwei Auswärtstore wieder nicht ausreichen, um etwas Zählbares mitzunehmen! Warum pendelt der Club innerhalb eines Spiels immer wieder zwischen Genie und Wahnsinn? Warum spielt das Team nicht konsequent und konzentriert von der 1. bis zur 94. Minute? Da macht sich Ratlosigkeit bei mir breit.

Von der Effizienz und Torausbeute her Aufstiegsaspirant, doch vom Abwehrverhalten Abstiegskandidat. Einziger Lichtblick ist, dass die Moral und Charakter der Truppe zu stimmen scheinen. Doch so lang keine Konstanz reinkommt, bleibt der Club leider nur im Mittelmaß der Tabelle hängen. So geht es mit gemischten Gefühlen in die Länderspielpause. Euphorie sieht anders aus.

2 Kommentare zu “Neun Minuten des Grauens

  1. Etwas merkwürdig war der Schiri schon, wurde vom Kicker öfter mit Note 5 bedacht. Kaiser spielt klar den Ball, bekommt gar gelbe Karte.
    Auch Selke, der nach unendlicher Zeit mit Ball am Fuß wegen Abseits zurückgepfiffen wird, bekommt gelb. Dass die zwei Tore (1:1) aberkannt wurden, damit kann jede Seite leben. Schiri wollte partout Selke runterstellen, Rangnick wechselte, weil er die blutunterlaufenden Augen des Schiris sah … und das Leipziger Unglück begann …

    Wobei wieder einer der beiden Freistöße ein Witz war. Der Nürnberger lehnt sich so weit nach hinten, um den Ball mit dem Hintern abzuschirmen, dass er hinfällt. Und (Beleidigung wegen Teilsehschwäche einfügen) Schiri gibt Freistoß.

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