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Späte Ernüchterung


28. Oktober 2018 – 9. Spieltag:

Eigentlich ein super Nachmittag, bis auf die Nachspielzeit. Der Club macht sein bestes Bundesligaspiel der Saison und kassiert doch noch den unglücklichen Ausgleich in der 92. Minute. Auch wenn der Ärger über zwei verschenkte Punkte dominiert, mischt sich Zuversicht in die Gefühlslage.

Beim Fußball gibt es für mich eigentlich kaum ein schlimmeres Gefühl, als den fast schon sicher geglaubten Sieg in der Nachspielzeit noch zu vergeigen. Man ist nur noch wenige Augenblicke vom befreienden Schlusspfiff des Schiedsrichters entfernt, um dann die Arme hochzureißen und sich ausgelassen über den Sieg zu freuen. Vor allem, wenn es ein Sieg ist, den man aufgrund des starken Gegners Eintracht Frankfurt nicht zwingend erwartet hätte.

Doch am Ende kackt die Ente: Statt den erlösenden Konter einzuleiten, fabriziert Palacios auf Höhe der Mittellinie einen kapitalen Fehlpass genau in den Fuß des Gegenspielers. Der spielt steil in den Club-Strafraum, ein Querpass vors Tor und der eingewechselte Haller spitzelt das Leder in die Maschen zum 1:1. Ein schmeichelhafter Ausgleich, der bei den 5.000 mitgereisten Hessen für unverhofften Jubel und beim fränkischen Anhang für späte Ernüchterung sorgt. Nix wars mit dem dringend benötigten Dreier für den Ruhmreichen – stattdessen nur eine Punkteteilung, die sich fast wie eine Niederlage anfühlt.

Beste Saisonleistung

Ist nun alles eine Katastrophe und der Abstieg besiegelt? Mitnichten!

Denn der FCN hat endlich einmal über die komplette Spielzeit eine konstant starke Leistung auf dem Rasen abgeliefert. Der Club stand kompakt und eng beim Gegenspieler, hat die Zweikämpfe bissig und clever geführt und dafür gesorgt, dass die gefürchtete Frankfurter Offensive nie ihr Gefahrenpotenzial entfalten konnte. Die Eintracht kam mit 5 Siegen und 19 Toren im Oktober als Mannschaft der Stunde ins Max-Morlock-Stadion. Bei der in letzter Zeit löchrigen Club-Käseabwehr war daher Schlimmstes zu befürchten.

Doch diesmal hat unser Altmeister fast alles richtig gemacht. Eine stabile Abwehr und auch schnell vorgetragene, vielversprechende Offensivaktionen. Auch wenn die Partie kein Chancenfestival war – doch spannend und unterhaltsam war es allemal. Vor allem hat der Club im Gegensatz zu den letzten Wochen nie die Grundordnung verloren und war letztendlich auf Augenhöhe mit der Eintracht, die einfach einen klasse Lauf hat.

Für mich hat der Altmeister in diesem Spiel seine Bundesligatauglichkeit nachgewiesen. Er war kein aufgescheuchter Hühnerhafen mehr, wo der Fuchs unbehelligt in den Hühnerstall eindringen und die Hühner nach Belieben vernaschen kann.

Überzeugende Debütanten

Zu der geschlossen Mannschaftsleistung haben auch die drei Debütanten beigetragen: In ihrem ersten Saisoneinsatz haben Simon Rhein, Sebastian Kerk und Adam Zrelak überzeugen können.

Simon Rhein gab den zentralen Abfangjäger und Ballverteiler vor der Abwehr. Er hat das mit einer Souveränität erledigt, die wohl jeden Fan im Stadion überrascht haben dürfte. Klasse, was er da im defensiven Mittelfeld abgeliefert hat. Und Captain Kerk? Der hat sich auf den Außenbahnen abgerackert, Bälle verteilt und Ecken geschossen, als ob er nie weg gewesen wäre. Ich habe nichts davon gemerkt, dass es sein erstes Pflichtspiel in der Profimannschaft seit seiner Verletzung im August 2017 war. Ein leidenschaftliches und schwungvolles Comeback.

Nicht zu vergessen Stürmer Zrelak, der in der 75. Minute eingewechselt wurde und mit seinem ersten Ballkontakt das Achteck erbeben ließ. Die gut getimte Flanke aufs lange Ecke netzte er per Kopf ein. Der Rest war ein rot-schwarzer Freudentaumel. Also ebenfalls ein perfektes Comeback nach seiner Verletzungspause. Auch für Zrelak war es der erste Auftritt in der Bundesliga.

Bundesligakribbeln ist zurück

Also eigentlich war alles richtig gut an diesem Sonntagnachmittag. Bis eben auf den unverdient schmeichelhaften Ausgleich in der Nachspielzeit, der mir die Stimmung doch noch verhagelt hat. Doch in Summe brachte dieser verregnete, nasskalte Oktobertag alles mit sich, warum man Bock auf Bundeliga hat: Richtiges Kämpferwetter und ein mit 42.000 Zuschauern prächtig gefülltes Max-Morlock-Stadion, darunter 5.000 Gästefans. Die Stimmung in beiden Kurven war engagiert und lautstark. Das Spiel intensiv und spannend. Viele Emotionen. Genau dafür gehe ich ins Stadion.

Nur schade, dass sich der Altmeister nicht für diese tolle Leistung belohnt hat! Es gab keinen Klassenunterschied und der Sieg hätte drei willkommene Punkte bedeutet – gerade nach den jüngsten Misserfolgen. Trotzdem haben wir letztlich einen unerwarteten Punkt gegen den amtierenden Pokalsieger geholt und für mich ist die gezeigte Leistung ein wertvoller Mutmacher. Sollte der Club diese Leistung konservieren und auch künftig abrufen können, dann werden sich wieder Erfolge einstellen. Vor allem die nächsten drei Spiele gegen Rostock im Pokal, auswärts in Augsburg und daheim gegen Stuttgart werden richtungsweisend sein. Vielleicht beschert uns der Ruhmreiche ja einen goldenen November.

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